Beim Einpacken, Räumen und Ausmisten im Atelier finde ich viel. Zum Beispiel den Ausdruck des gleich folgenden Textes. Ich stelle ihn hier als Auszug ein, es war mal ein Vortrag/Lesung, von mir 2006 gehalten vor StudentInnen im Career Center der UdK.
Der Text ist nach Tagebuchaufzeichnungen meiner Ateliersuche vor genau 10 Jahren entstanden.
»Mein Atelier ist kalt. Es hat keine Heizung und kein fließend Wasser.
Mein Atelier ist groß und sieht billiger aus, als es ist.
Ich schäme mich, potentielle Kunden in mein Atelier zu lassen.
Kommt trotzdem mal jemand, friert er zwar, findet die Atmosphäre aber toll.
Wie in New York, sagt so mancher, genauso stelle ich mir New York vor.
Waren Sie einmal in New York, frage ich.
Nein, sagen die meisten.
Seit zwei Jahren suche ich ein Atelier, dass nicht kleiner sein darf, eher größer sein muss, aber nicht teurer sein darf und Heizung und Klo haben muss. Mein Atelier soll in der Nähe meiner Wohnung sein. Ich habe nicht genügend Geld, um mit der Bahn zu fahren und lege alle Strecken mit dem Rad zurück. Bei jedem Wetter. Ich bin ständig unterwegs und krank. In den letzten Monaten habe ich mit vielen Vermietern verhandelt, keiner war bereit, mir entgegen zu kommen oder sich in Naturalien, sprich Kunst, bezahlen zu lassen.
Ich sitze in meinem Atelier, 12 km von meiner Wohnung entfernt, friere und
muss aufs Klo. Ich gehe in eine Kneipe und fahre wieder nachhause.
Ohne einen Handschlag gearbeitet zu haben. So geht das ein Jahr lang.
Ich lese Annoncen, verhandele weiter mit Vermietern von leerstehenden Fabriketagen, die nicht nur zu groß, sondern auch viel zu teuer sind.
Ich will meinen Arbeitsraum nicht mit jemandem teilen. Diese Art des Kompromisses probierte ich bereits kurz nach dem Studium aus. Hat nicht funktioniert: ich konnte dort nicht arbeiten. Das Atelier war nur Lagerraum. Ich änderte meinen Standpunkt. Und zog nach Berlin.
Mittlerweile fahre ich gar nicht mehr in mein kaltes Atelier, sondern laufe nur noch hin
und her in meinem Kiez. Ich besichtige Räume vom Atelierbüro/Kulturwerk. Die einzelnen Ateliers sind durch Rigipswände voneinander getrennt. Ich kann die Gespräche im Nachbaratelier hören.
Ich laufe weiter durch die Straßen und vergrößere meinen Radius zur Ateliersuche. Monatelang.
Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich mir den Luxus eines Ateliers leiste, in dem ich nicht arbeite.
In einem Blumenladen, unweit von meiner Wohnung, frage ich nach Leerstand im Hinterhof.
Die Verkäuferin nennt mir einen Ansprechpartner. Ich stehe vor den Klingeln im Hinterhof und vor mir taucht ein Mann auf. Er sei der Vermieter, sagt er und zeigt mir verschiedene Räume. Nach langwierigen Umbaumaßnahmen käme einer davon in Frage. Ich will keine Räume umbauen. Der ehemalige Büroraum liegt im fünften Stock, es gibt keinen Lastenaufzug und das Treppenhaus ist eng. Der Raum wäre doppelt so teuer wie mein altes Atelier, hätte aber Heizung, und Toilette und ist dicht an meiner Wohnung. Ich mag die Atmosphäre von Büroräumen nicht.
Ich suche eine Werkstatt und habe eine Vorstellung, wie solch ein Raum aussehen müsste. Der Raum, in dem ich momentan arbeite, kommt dieser Vorstellung sehr nahe, ist allerdings im Winter für mich nicht benutzbar.
Der Raum in dem ich stehe, ist ein Büro. Aber dicht an meiner Wohnung, groß genug und beheizbar.
Ich bitte mir Bedenkzeit aus.
Ob ich einen Kompromiss eingehe? Der Raum gefällt mir nicht. Und die Schlepperei meiner Arbeiten durch ein enges Treppenhaus in den fünften Stock? Das schaffe ich nie ohne Hilfe. Ich will nicht abhängig und auf ständige Hilfe angewiesen sein.
Ob ich trotzdem einen Kompromiss eingehe?
Es geht um meine Arbeit. Ich kann keine Kompromisse machen.«
Was ich außer diesem Textausdruck noch gefunden habe? Bald mehr dazu.