Ein Meilenstein ist ein Stein, der einen zurückgelegten Weg kennzeichnet, im beruflichen Leben steht er für eine Etappe, die erfolgreich gemeistert wurde.
Mein Meilenstein liegt im Kalender auf dem 12. Juli 2019: an diesem Tag vor genau 25 Jahren, 11 Uhr, habe ich meinen Abschluss als Bildende Künstlerin, Schwerpunkt Malerei, an der Universität Kassel mit dem Zusatz herausragend bestanden – was immer das im Leben mit und von der Kunst zu bedeuten hat. Damals wurde noch immer und überall ordentlich geraucht, in Ateliers in Öl und Terpentin gedampft, in Besprechungs- und Prüfungsräumen auch. Nicht nur deshalb hatte ich in den letzten beiden Semestern ein Atelier für mich alleine. Geprüft wurde ich von Silke Leverkühne, die als Gastprofessorin meine Zweitprüferin war und von Urs Lüthi als mein Erstprüfer. Für Urs Lüthi war ich die Erstgeprüfte (er hatte seine Professur an der Kunstuni in Kassel noch nicht so lange inne). Heute wie damals bin ich ganz stolz darüber, dass das so war. Vor der Prüfung zog ich mich einige Male um, zu Anett Frontzeks Prüfung, die zwei Stunden vorher war, trug ich einen Latzrock (der war schon die dritte Variante des Tages). Ich bin mir nicht mehr sicher, ob Silke auch die Prüferin von Anett war oder ob sie nur wie ich als Zuhörerin dabei war, jedenfalls raunte sie mir zu, dass wir die Prüfung nicht so trocken machen würden, wie der Prof von Anett das veranstaltete.
Kurz vor meiner Prüfung rannte ich noch einmal nach Hause, entschied mich dort schließlich für die Variante »heute eher abgeranzt« und schlüpfte in eine fadenscheinige Trainingshose, ein maritim anmutendes und zwei Nummern zu großes T-shirt vom Flohmarkt und abgelatschte Sandalen. Auf der Treppe hoch zum Prüfungsraum ging Urs Lüthi hinter mir und noch viele andere, meine Prüfung war öffentlich. Ich betete, dass durch die Löcher in meiner Hose nicht zu viel Fleisch schimmerte und steckte mir, oben angekommen, erst einmal eine Zigarette an. An den Wänden hingen meine Arbeiten aus dem letzten Jahr, auf einer Seite die farbigen und erkennbar figürlichen, auf der anderen Seite die zu grau vermanschten und alle Farben der Welt in sich tragenden Ölbilder, dazu las ich aus meinen Ateliernotizen vor. Beim Vorlesen fiel mir auf, wie oft ich das Wort »Scheiße« geschrieben hatte. Das bemerkte auch die mittlerweile ehemalige Leiterin der Neuen Galerie/Kunstmuseum Kassel Dr. Marianne Heinz, mit der ich damals noch per Sie war.
von links: Anett Frontzek, Urs Lüthi, ich, Silke Leverkühne, Ingrid Wrede am 12.7.1994 in Raum 301 , Kunsthochschule/Universität Kassel |
Motto war »Sternstunden der Menschheit« und die feierte ich mit Philipp Hennevogl und Anett, die am gleichen Tag wie ich mit der Uni abgeschlossen haben. So ging alles gut über die Bühne und jetzt bin ich seit 25 Jahren Freiberuflerin.
In Berufen, die nicht so frei wie der meinige sind, werden für so ein Jubiläum Urkunden und Geschenke, Wimpel, Wappen, gar Fahnen und goldenes Zeugs, Pokale, Becher, Tassen, Ketten, Ringe, Uhren, Anstecknadeln verteilt. Es wird gefeiert und auf den Pudding gehauen oder rein.
Außer der wird es natürlich noch etwas geben, das mein Schaffen feiert. Deshalb ist die Arbeit an einem Katalog, der eine Auswahl meiner Zeichnungen bündelt und bei der edition Braus in Berlin erscheinen wird, in vollem Gang. Dazu wird es eine Vorzugsausgabe von 25 Stück, bestehend aus einer Tuschezeichnung (30 x 21 cm auf Büttenpapier, Unikat) und signiertem Katalog geben. Wer Details dazu wissen möchte, melde sich, Bestellungen nehme ich gerne entgegen.